Sonntag, 13. April 2014

BMW Werksfahrer Alessandro Zanardi im Interview


Alessandro Zanardi (IT) ist startklar: In einer Woche beginnt für den BMW Werksfahrer die Comeback-Saison im Motorsport. Der 47-Jährige tritt 2014 mit einem für seine Bedürfnisse umgebauten BMW Z4 GT3 von ROAL Motorsport in der Blancpain Sprint Series an. Der Saisonauftakt wird am Ostermontag, dem 21. April, in Nogaro (FR) ausgetragen.
Alessandro Zanardi startet 2014 in der Blancpain Sprint Series
Foto: BMW-Motorsport

Alessandro, der Start in die Blancpain Sprint Series 2014 steht kurz bevor. Wie sehr fiebern Sie Ihrer Comeback-Saison als BMW Werksfahrer entgegen?
 
Alessandro Zanardi: „Sehr. Die Blancpain Sprint Series ist eine großartige Meisterschaft, und ich bin stolz darauf, mit BMW ein Teil von ihr zu sein. BMW ist für mich nicht einfach nur eine Marke – es ist fast wie eine Familie. Seit meinem Unfall 2001 fahre ich für BMW und wir haben gemeinsam wunderbare Erfolge gefeiert. Ich freue mich auch, dass ich dieses neue Abenteuer mit einem sehr engen Freund von mir angehe: mit Roberto Ravaglia und mit ROAL Motorsport.“
 
Wie zufrieden sind Sie mit der Saisonvorbereitung?
 
Zanardi: „Ich bin insgesamt sehr zufrieden. Wir haben im Winter ein gutes Testprogramm absolviert, bei dem wir eine Menge gelernt haben. Wir haben noch ein paar offene Fragen bezüglich der Abstimmung oder darüber, wie wir die Reifen optimal nutzen können, aber im Verlauf der Saison werden wir zweifellos weiter dazulernen. Die Rundenzeiten waren mehr als viel versprechend. Was die Performance angeht, haben wir das Auto mit jedem Test besser kennengelernt. Das Auto und ich sind zu einer richtigen ‚Einheit‘ geworden, denn der BMW Z4 GT3 muss auf eine Art und Weise gefahren werden, die genau meinem Fahrstil entspricht. Ich fühle mich im Auto wohl, aber manche Dinge werden wir erst im Rennen selbst herausfinden. Wir können noch nicht beurteilen, wie die Performances unseres BMW Z4 GT3 und der Autos unserer Mitbewerber über eine Renndistanz aussehen. Insgesamt erwarte ich eine große Herausforderung. Es wird nicht einfach, an der Spitze mitzufahren, denn meine Gegner sind sehr schnell und talentiert, und sie fahren konkurrenzfähige Autos. Aber wir werden es versuchen und unser Bestes geben, damit wir Nogaro zufrieden verlassen können.“
 
Alessandro Zanardi
Foto: Jens Hawrda
Was wäre eine realistische Zielsetzung für das erste Rennen in Nogaro?
 
Zanardi: „Das ist schwierig zu sagen. Lassen Sie mich so antworten: nah an den besten BMW dran zu sein. Denn es ist schwierig einzuschätzen, wo die anderen Autos mit der ‚Balance of Performance‘ stehen werden. Wir sind bisher nur beim Test in Paul Ricard zusammen mit den anderen auf die Strecke gegangen, doch das ist nicht sehr aussagekräftig, weil man nicht weiß, unter welchen Bedingungen sie gefahren sind. BMW war immer schon ein sehr konkurrenzfähiges Auto, und wenn das auch hier der Fall ist, dann sollte uns auf die anderen Teams nicht viel fehlen. Sollte uns das gelingen, wäre das für mich schon ein bemerkenswertes Ergebnis. Man muss auch bedenken, dass die anderen Fahrer mehr Erfahrung in diesem Format haben als ich. Es wäre fantastisch, wenn ich in der Qualifikation zum ersten Rennen in die Top 10 fahren könnte. Es kann aber auch sein, dass ich über einen 20. Platz glücklich bin. Es kann passieren, dass wir nicht genau da hinkommen, wo wir hin möchten. Nicht, weil wir einen Fehler gemacht oder nicht unser Bestes gegeben haben, sondern einfach, weil die anderen stärker waren.“
Alessandro Zanardi bei Testfahrten im BMW Z4 GT3
Foto: BMW-Motorsport
 
Auf welche Bereiche haben Sie, BMW Motorsport und ROAL Motorsport in der Vorbereitung des BMW Z4 GT3 für die Saison die Schwerpunkte gelegt?
 
Zanardi: „Die erste Aufgabe war, das Auto so umzubauen, dass ich mich darin wohl fühle. Dabei mussten wir nicht bei null mit einem weißen Blatt Papier anfangen, sondern wir konnten auf unsere früheren Erfahrungen aus der WTCC zurückgreifen. Das hat uns ermöglicht, recht schnell zu einer sehr guten Lösung zu finden. Ich fühle mich in diesem Auto mindestens genauso wohl wie im BMW 320i in der WTCC.
Die zweite Aufgabe war, das Auto abzustimmen. Anfangs mussten wir die Eigenheiten des Reifens kennenlernen. So haben wir am Set-Up des Autos gefeilt, und das wird auch während der Saison eine unserer größten Herausforderungen sein. Denn auf jeder Strecke bekommt man es mit anderen Problemen zu tun, und man muss jedes Mal aufs Neue die perfekte Abstimmung finden. Doch wir sind ein starkes Team, und wir haben BMW Motorsport an unserer Seite, um zu helfen und notfalls auch zu korrigieren, falls wir Fehler machen. Mit all dieser Erfahrung sollte es uns möglich sein, an jedem Rennwochenende ein gutes Auto zu haben.“
 
Können Sie beschreiben, wie Sie das Auto fahren?
 
Zanardi: „Ich bremse mit meiner Beinprothese, indem ich die Hüfte bewege. Schon 2003 hat sich sehr schnell gezeigt, dass die Benutzung meiner rechten Prothese die wohl beste und effizienteste Art ist, das Bremspedal zu bedienen. Deshalb haben wir uns für diesen Weg entschieden und ein entsprechendes System entwickelt. Es ist sehr nah dran an dem, wozu ein menschliches Bein in der Lage ist. Alles andere mache ich mit meinen Händen. Ich muss nicht nur lenken, sondern ich gebe auch Gas, mit einem Ring, der sich hinter dem eigentlichen Lenkrad befindet. Ich schalte über Schaltwippen mit den Fingern. Die Kupplung betätige ich mit einer kleinen Wippe, die auf dem unteren Teil des Lenkrads montiert ist. Im BMW Z4 GT3 funktioniert alles elektronisch, und das ist ein Vorteil verglichen zu unserer Zeit in der WTCC. Damals hatten wir eine H-Schaltung, die ich mit meiner Hand bedient habe. In den Bremszonen hatte ich also einiges zu tun: Ich musste die Kupplung bedienen und schalten und habe praktisch mit meinem Handballen gelenkt.“
 
Wie müsste die Saison verlaufen, damit Sie danach sagen würden, dass sie gut war?
 
Zanardi: „Das ist sehr schwer zu sagen. Wenn Sie mich vor den Paralympics 2012 in London gefragt hätten, ob ich mich über eine Medaille, zum Beispiel eine Bronzemedaille, freuen würde, hätte ich geantwortet: ‚Wow! In meinem Alter, mit all diesen talentierten Jungs, die viel jünger sind als ich – ich wäre überglücklich!‘ Doch rückblickend wäre es sehr schade gewesen, nur eine Bronzemedaille mit nach Hause zu bringen. Dennoch – zum jetzigen Zeitpunkt würde ich sagen: Sollte ich die Saison mit einem Sieg auf meinem Konto beenden, wäre ich nicht nur zufrieden, sondern wirklich begeistert!“