Donnerstag, 21. März 2019

Stefan Dreyer (Audi): „Das Format der DTM ist beinhart“

  • Der Leiter Entwicklung Antrieb über den neuen Audi-Turbomotor für die DTM
  • Motoren müssen eine ganze Saison halten
  • 30 PS Mehrleistung durch Push-to-Pass technisch anspruchsvoll

 Stefan Dreyer
Copyright: Audi Communications Motorsport / Mico Berger

Stefan Dreyer, Leiter Entwicklung Antrieb bei Audi Motorsport, erläutert, wie groß die Herausforderung mit den neuen DTM-Turbomotoren ist.


In welchen Phasen verläuft die Entwicklung eines neuen Rennmotors?
Nach der anfänglichen Konzeptphase versucht man relativ schnell, Erfahrungen mit einem Einzylinder-Aggregat zu sammeln. Anschließend entwickelt man den Vollmotor. Statischen und dynamischen Prüfstandversuchen folgen Tests und schließlich der Renneinsatz. Begleitet wird das Ganze von Simulationen und Berechnungen.

Wie lange dauert es, einen Motor wie den neuen DTM-Turbomotor zu entwickeln?
Zwei bis zweieinhalb Jahre. Beim DTM-Turbomotor haben wir die Entwicklung für ein Jahr unterbrochen, weil die Einführung des neuen Motors auf 2019 verschoben wurde. Jetzt sind wir froh und stolz, mit den neuen Motoren in eine neue DTM-Ära starten zu dürfen. Ich bin überzeugt, dass wir den Fans und Kunden den spektakulärsten Tourenwagen-Sport aller Zeiten liefern können.

Wie viele Stunden lief der neue DTM-Motor auf dem Prüfstand?
Das ist schwer zu beziffern, aber ich denke, dass wir uns in einer Größenordnung von rund 1.000 Stunden bewegen. Jedes Triebwerk läuft dann auch noch einmal zwei bis drei Stunden auf dem Prüfstand, ehe es für den Renneinsatz ins Auto kommt. Es gibt ein Einlaufprogramm, einen Leistungscheck und verschiedene Funktionschecks. Ein DTM-Motor muss eine ganze Saison halten. Das heißt, dass unsere Spezialisten am Prüfstand 100 Prozent sicher sein müssen, dass der Motor, den sie in den Umlauf schicken, auch wirklich top ist. Wir arbeiten da mit dem Vieraugenprinzip. Nur so können wir garantieren, dass wir auch gut am Start stehen.

Was exakt passiert auf dem Prüfstand?
Das Themenfeld „Prüfstand“ ist groß. Wenn wir es auf die Antriebs- und Motorenentwicklung reduzieren, sprechen wir von drei Arten von Prüfständen. Auf dem Einzylinder-Prüfstand fokussiert man sich auf die Brennverfahrensentwicklung und Reibleistungsuntersuchungen, aber zum Teil auch schon auf Dauerlauferprobung. Das hat den Vorteil, dass man verschiedene Varianten flexibel und schnell erproben kann. Dann gibt es den sogenannten Motorenprüfstand, auf dem der Vollmotor entwickelt und appliziert wird. Dann gibt es noch den Achsprüfstand, auf dem man den ganzen Abtrieb des Fahrzeugs so realitätsnah wie möglich fährt.

In den Anfängen des Turbomotors war Haltbarkeit ein großes Thema. Ist das heute auch noch der Fall?
Technologien, Materialien und Entwicklungstools haben sich über die Jahre weiterentwickelt. Aber wenn man einen Rennmotor am Limit entwickelt, ist die Grundherausforderung noch immer die gleiche. Ich würde daher nicht zwischen gestern und heute unterscheiden. Eine große Herausforderung ist das Format der DTM. Die lange Laufleistung, verteilt auf viele Veranstaltungen mit kurzen Runs, ist beinhart.
 Audi 2.0 TFSI DTM 2019
Copyright: Audi Communications Motorsport / Malte Christians

Auf welche Laufleistung ist der DTM-Motor ausgelegt?
Auf rund 6.000 Kilometer, also die gesamte in der Saison gefahrene Distanz.

Der neue Turbomotor hat wesentlich mehr Leistung und ein höheres Drehmoment als der alte V8-Saugmotor. Was bedeutet das für den Antriebsstrang des Audi RS 5 DTM?
Der Vierzylinder-Turbo hat über 100 PS mehr Leistung. Auch das höhere Drehmoment bedeutet eine zusätzliche Belastung für den kompletten Antrieb. Hinzu kommt, dass der Vierzylindermotor ein ganz anderes Schwingverhalten hat als der V8. Das war bei der Entwicklung des Motors, aber auch für unsere Prüfstände eine Riesenherausforderung.

Was ändert sich fahrzeugseitig durch den neuen Turbomotor?
Der V8-Motor hatte zunächst einmal ein größeres Volumen. Er war symmetrisch aufgebaut mit zwei Zylinderbänken und zwei Abgassträngen. Der neue Turbomotor hat vier Zylinder in Reihe, rechts die Abgasanlage und der Turbolader, links die Ansaugung. Der gesamte Vorderwagen musste auf dieses Motorenkonzept angepasst werden, zum Beispiel die Positionierung des Ladeluftkühlers, die Wasser- und die Ölkühlung, die Rohre, aber auch die optimale Führung der Luft zum Motor.

Wie hat sich die Abgasanlage verändert?
Beim V8 verlief sie früher links und rechts mehr oder weniger symmetrisch mit einem kleinen Versatz. Beim Vierzylinder läuft sie entlang der rechten Seite in etwa bis zur Fahrzeugmitte.

Der neue Turbomotor ist kompakter und kleiner. Ist er auch leichter?
Der Motor ist deutlich leichter als der V8, wobei man jeweils das vom Reglement vorgeschriebene Mindestgewicht berücksichtigen muss. Der V8 wog zuletzt 148 Kilogramm, der Vierzylinder-Turbo wiegt nur noch 85 Kilogramm. Das ist eine deutliche Gewichtsreduktion, die sich fast eins zu eins auf das Leergewicht des Fahrzeugs auswirkt.

Wie sieht es mit dem Kraftstoffverbrauch aus? Sie sprechen ja von einem „Hocheffizienz-Motor“.
Wenn man den Kraftstoffverbrauch unter Volllast denkt, ist er erst einmal höher. Aber wir gewinnen überproportional an Leistung. Wir Motorenentwickler sprechen daher vom spezifischen Verbrauch, der zwei Größen über eine Formel verbindet. Und da ist der neue Vierzylinder-Turbo eine ganz andere Welt. Auf die Werte, die dort erreicht werden, kann die ganze Mannschaft in Neckarsulm und Neuburg sehr stolz sein.

Spielt der Kraftstoffverbrauch in der DTM überhaupt eine Rolle?
Das ist in der DTM sogar ein sehr wichtiges Thema. Je mehr Kraftstoff ich sparen kann, desto schneller und performanter bin ich, weil ich über die gesamte Renndistanz weniger Gewicht mit mir herumschleppen muss. Das hocheffiziente Brennverfahren und niedriger Kraftstoffverbrauch sind erfolgsentscheidende Faktoren.

Wie funktioniert das Push-to-Pass-System, das in diesem Jahr in der DTM erstmals zum Einsatz kommt?
Der V8 hatte eine Luftmengenbegrenzung, beim Turbomotor ist die Kraftstoffzuführung begrenzt. Ein sogenannter Fuel Flow Restrictor (FFR) stellt sicher, dass dem Motor maximal 95 kg Kraftstoff pro Stunde zugeführt werden können. Aktiviert der Fahrer Push-to-Pass, werden über einen Bypass für eine Dauer von fünf Sekunden zusätzliche 5 kg pro Stunde zur Verfügung gestellt. Das hat eine Leistungserhöhung von ca. 30 PS zur Folge, die der Fahrer zum Überholen oder für eine bessere Rundenzeit nutzen kann. 30 PS mehr hören sich nicht viel an, sind technisch aber eine große Herausforderung, die wir meistern mussten. Aber ich glaube, dass Push-to-Pass in Verbindung mit dem DRS-Klappflügel und den insgesamt schnelleren Autos den Fans und Zuschauern Wahnsinnsrennen bieten wird. Ich freue mich schon richtig darauf.

Kann man bei einem Turbomotor fürs Qualifying einfach die Leistung „hochdrehen“?
Das geht nicht, weil die Kraftstoffzuführung begrenzt ist. Aber klar ist, dass die Motoren die ganze Saison, also 6.000 Kilometer, halten müssen. Die Frage ist, wie weit traut man sich schon beim ersten Rennen in Hockenheim ans Limit? Man will ja schließlich das Finale in Hockenheim ohne Motorschaden erreichen. Das ist für alle Hersteller eine schwierige Entscheidung und kann im Qualifying schon mal den Unterschied zwischen Startplatz eins und zehn ausmachen.