Donnerstag, 26. September 2019

René Rast: „Sehe meine Zukunft in der DTM“

Der DTM-Champion 2019 im großen Interview vor dem Saisonfinale

Renè Rast
Foto: Jens Hawrda
Audi-Pilot René Rast hat sich schon im drittletzten Saisonrennen vorzeitig den DTM-Titel gesichert. Warum sich die Fans am ersten Oktober-Wochenende trotzdem das Finale in Hockenheim nicht entgehen lassen sollten, welche Rekorde ihn interessieren, was sein Erfolgsgeheimnis ist und wie er die Tage nach dem Titelgewinn verbracht hat, verrät der DTM-Champion 2019 im großen Interview.

Wie fühlt es sich an, zweimaliger DTM-Champion zu sein?
Das ist ein tolles Gefühl – und ganz anders als bei meinem ersten DTM-Titel 2017. Der Titel damals kam irgendwie unverhofft. Die Überraschung war damals immens groß. Dieses Jahr konnte ich mich mental darauf vorbereiten, weil ich als Favorit gehandelt wurde. Trotzdem ist es ein gigantisches Gefühl. Es ist einer der größten Motorsportmomente in meinem Leben. Als ich in die DTM kam, habe ich nicht damit gerechnet, innerhalb von drei Jahren zwei Titel einzufahren.

Wie war die Party nach dem Titelgewinn auf dem Nürburgring?
Das war eine der coolsten Partys, die ich bei Audi Sport bisher erlebt habe. Wir haben es in der Audi-Hospitality mächtig krachen lassen und bis drei, halb vier Uhr morgens gefeiert.

Wie hast du die Tage nach dem Titelgewinn verbracht?
Zum Glück relativ ruhig. Die meisten Interviews liefen am Telefon. Deshalb war ich viel zu Hause und konnte etwas Zeit mit meiner Familie verbringen.

Wie viele Glückwunschnachrichten hast du auf dein Handy bekommen?
Gezählt habe ich sie nicht, aber es waren schon einige Hundert – vor allem über WhatsApp oder SMS. Das ist eben die Art, wie man heutzutage kommuniziert. Anrufe werden seltener. Natürlich gab es auch auf Instagram und Facebook viele Nachrichten. Das zu sehen ist schön.
Renè Rast
Foto: Jens Hawrda
Gab es Glückwünsche, die dich besonders überrascht oder gefreut haben?
Ein Lukas Podolski wie nach meinem Titelgewinn 2017 war nicht dabei. Der eine oder andere Formel-1-Fahrer – aber keiner, mit dem ich nicht gerechnet hätte.

Spürst du, dass deine Popularität seit deinem DTM-Einstieg deutlich größer geworden ist?
Definitiv! Man merkt, dass die Wahrnehmung an der Rennstrecke und in den Medien gegenüber 2017 eine andere ist. Das verändert sich schrittweise nach großen Ereignissen. Nach dem Titelgewinn 2017 gab es einen ziemlichen Schub. Nach dem Unfall auf dem Lausitzring im letzten Jahr habe ich es gemerkt und auch nach den sechs Siegen in Folge kam noch einmal ein richtiger Schritt.

Du bist auf einem guten Weg, viele DTM-Rekorde zu brechen. Interessiert dich das?
Rekorde interessieren mich erst dann, wenn sie mich selbst betreffen. Früher habe ich nicht viel darauf gegeben. Aber wenn man dichter an die Marken herankommt, wird es ein Thema. Speziell die 23 Siege, die Mattias (Ekström) für Audi geholt hat. Auch ein dritter DTM-Titel. Nur Bernd Schneider und Klaus Ludwig haben mehr als zwei Titel geholt. Wenn man einer der drei erfolgreichsten DTM-Fahrer aller Zeiten werden kann, dann ist das ein Ziel wert.

Was war für den Titelgewinn 2019 entscheidend?
Unsere Konstanz im Qualifying: Wenn es darauf ankam, waren wir immer vorne dabei. Auf der einen Seite haben wir dadurch die Zusatzpunkte geholt, auf der anderen Seite aber natürlich auch eine gute Ausgangsposition fürs Rennen. Dass wir die Performance hatten, immer vorne mitzufahren, war der Schlüssel zum Erfolg. Aber auch die Konstanz im Rennen war da. Wir haben in diesem Jahr wenige Fehler gemacht. Es hat fast alles perfekt funktioniert.

Was waren die Höhen und Tiefen in der Saison 2019?
Ein ganz besonderes Rennen war Hockenheim, wo ich nach dem Safety-Car innerhalb weniger Runden von ganz hinten durch das Feld nach vorn gepflügt bin. Das war ein Highlight. Genauso Norisring: Das Rennen zu gewinnen, nachdem man am Start den Motor abwürgt, war etwas Besonderes. Negativ war die Kollision in der ersten Runde am Norisring – und am Lausitzring in Führung liegend auszufallen.

Hast du beim ersten Test mit dem neuen Audi RS 5 DTM damit gerechnet, dass dieses Auto so stark sein würde?
Das war nicht unbedingt abzusehen. Wir sahen bei den Wintertests im Vergleich zur Konkurrenz zwar immer stark aus und auch zuverlässiger. Aber da wusste man nicht, wieviel die Konkurrenz wirklich schon gezeigt hat. Man hatte immer im Hinterkopf, dass sie noch einmal aufdrehen könnten – was sie beim ersten Rennen in Hockenheim dann ja auch gemacht haben. Da hat man gesehen, wie schnell BMW auf einmal war.

Wo siehst du die größten Stärken von Audi im Vergleich zur Konkurrenz?
Gegen Ende der Saison ganz klar im Qualifying. Da haben wir BMW ab einem bestimmten Zeitpunkt der Saison keine Chance mehr gelassen. Im Rennen hatten wir auch sehr oft das bessere Auto. Von der Pace her waren wir ab Mitte des Jahres überlegen – und das bei einer höheren Zuverlässigkeit. Das sieht man besonders bei den Herstellerpunkten. Wir haben im Winter sehr hart dafür gearbeitet.

Wie gefallen dir die neuen DTM-Autos insgesamt?
Sehr gut! Die machen richtig Spaß! Mehr Leistung ist für einen Fahrer immer schön. Die Autos sind schwieriger zu fahren und definitiv eine größere Herausforderung. Und genau das wollen wir: Dass die Fahrer immer mehr in den Fokus kommen und immer mehr zu kämpfen haben.

Wir haben in diesem Jahr viele spannende DTM-Rennen gesehen. Gibt es trotzdem etwas, das du an der DTM ändern würdest?
Da fällt mir spontan nichts ein außer vielleicht noch mehr Leistung und noch weniger Abtrieb. Das wünscht man sich als Rennfahrer immer. Wobei man aufpassen muss, dass das die Reifen da noch mitmachen – sonst wird es ein Reifenmanagement-Rennen wie zuletzt in der Formel 1. Da fährst du auf einmal am Anfang des Rennens zehn, fünfzehn Sekunden langsamer, weil die Reifen sonst nicht durchhalten. Das will keiner sehen.

Kannst du die Aufregung bei den Fans verstehen, die es nach Brands Hatch und Lausitzring zum Thema „Teamorder“ gab?
Klar. Teamorder will kein Fan sehen und wir als Rennfahrer eigentlich auch nicht – das ist ja nicht das, weswegen wir Rennen fahren. Deshalb verstehe ich die Fans vollkommen. Aber man muss auch die Interessen der Hersteller verstehen. Man will so sicher sein wie möglich, die Meisterschaft am Ende des Jahres für sich zu entscheiden. Das war in der DTM schon immer der Fall. Es ist ja nicht so, dass man sich am Anfang des Jahres auf einen Fahrer festlegt. Bei Audi hat jeder Fahrer die Chance, um die Meisterschaft zu fahren. Es wird gerne vergessen, dass man sich in der ersten Saisonhälfte als Fahrer immer erst selbst in die Position bringen muss, um von der Hilfe der anderen profitieren zu können. Dass es im letzten Drittel des Jahres dann Teamorder gibt, ist klar. Auch wenn es die Fans nicht mögen: Es gehört im Motorsport heute einfach dazu, wie man es ja gerade auch wieder in der Formel 1 gesehen hat. Aber natürlich ist es schöner, so frei fahren zu können wie am Nürburgring.

Du musstest dich im Titelkampf nicht nur gegen BMW-Pilot Marco Wittmann durchsetzen, sondern auch gegen Nico Müller. Ist es anders, gegen einen Markenkollegen zu kämpfen?
Ich würde sagen, es ist immer etwas schwieriger, gegen einen Markenkollegen zu kämpfen, weil man nicht so hart fahren kann, darf, will wie gegen die Fahrer eines anderen Herstellers. Da muss man sich immer etwas zurückhalten und man kann nicht die volle Aggressivität entfalten. Ich glaube, wir haben das in diesem Jahr – abgesehen vielleicht vom Norisring – ganz gut gelöst.

SAT.1-Co-Kommentator Timo Scheider hat vor dem Rennen in Brands Hatch behauptet, das Verhältnis zwischen dir und Nico Müller sei angespannt. Stimmt das?
Ich weiß nicht, woher Timo diese Informationen hatte – sie sind sehr weit hergeholt. Als Nico und ich das gelesen haben, haben wir nur gelacht. Natürlich fahren wir nicht gemeinsam in Urlaub. Aber wir reden an den Rennwochenenden viel, wir machen Witze, wir sitzen bei der Fahrerbesprechung oder der Autogrammstunde nebeneinander. In Spa sind wir sogar ein Rennen auf demselben Auto gefahren. Nico und ich sind professionell genug, um Privates und Job trennen zu können. Zwischen uns beiden war das im Titelkampf alles sehr entspannt und cool.

DTM-Chef Gerhard Berger hat mehrmals betont, Du hättest auch das Zeug für die Formel 1 gehabt. Freut dich das? Ist die Formel 1 noch ein Thema für dich?
Ich würde mal gerne ein Formel-1-Auto fahren. Das habe ich schon häufiger gesagt. Aber nur, um zu sehen, wie sich das Ding fährt. Um ein Gefühl dafür zu bekommen. Ich glaube, eine volle Saison ist ziemlich unrealistisch, weil ich auf der einen Seite zu alt dafür bin und die Cockpits natürlich heiß begehrt sind. Es stehen eine Menge Leute dafür an. Das wäre mit viel Geld und einer großen Mitgift verbunden. Deshalb sind meine Chancen sehr gering. Wenn ich das Angebot bekäme, würde ich natürlich mit (Audi-Motorsportchef) Dieter (Gass) sprechen. Aber das ist sehr weit weg.

Siehst du deine Zukunft in der DTM?
Definitiv! Ich fühle mich wohl in der DTM. Sie macht mir viel Spaß. Deshalb sehe ich meine Zukunft in der DTM.

Mit Nico Müller und Robin Frijns fahren zwei Deiner Markenkollegen in der Formel E. Ist die Elektro-Rennserie auch für dich ein Thema?
Sie war bereits im vergangenen Jahr ein Thema. Aber gemeinschaftlich mit Audi haben wir uns entschieden, uns ganz auf die DTM zu konzentrieren. Aber für die Zukunft ist die Formel E mit Sicherheit eine Option.

Du beschäftigst dich auch zwischen den Rennen sehr intensiv mit der DTM. Ist das eine deiner Stärken?
Ich glaube schon. Vorbereitung ist in der DTM ganz wichtig. Es geht um viele kleine Details. Je mehr du dich vorbereitest, desto mehr kannst du schon vor dem Wochenende im Kopf als erledigt abhaken.

Wie sieht die Vorbereitung auf ein DTM-Rennen bei dir in der Regel aus?
Das geht relativ früh los, meistens schon zwei, drei Tage nach dem letzten Rennwochenende. Es beginnt mit Videoanalysen. Damit bekommt man grob einen Überblick, was auf der jeweiligen Rennstrecke im letzten Jahr passiert ist. Was war wichtig? Was war der Schlüssel zum Erfolg? So kommen langsam die Erinnerungen wieder hoch. Dann fängt man an, in die Daten zu gucken, wo man im letzten Jahr nicht so gut war, wo man sich verbessern kann, um nicht die gleichen Fehler wieder zu machen. Man beginnt, mit dem Team über das Setup zu sprechen. Das baut alles aufeinander auf. Dazu gehört natürlich auch die Arbeit im Simulator bei Audi, beim Team Rosberg und auch bei mir zu Hause.

Wie sieht deine Vorbereitung für das Finale in Hockenheim aus. Gehst du das nach dem vorzeitigen Titelgewinn lockerer an oder genauso akribisch wie vor den anderen Rennen?
Definitiv gelassener. Nach dem Meistertitel ist gar kein Druck mehr da. Natürlich wollen wir noch die Teammeisterschaft gewinnen. Aber ich freue mich darauf, mal ein DTM-Wochenende komplett ohne Druck zu haben. Das hatte ich gefühlt noch nie.